Sehr viele Menschen leiden unter Rückenschmerzen und in den allermeisten Fällen – um die 90% – verschwinden diese Schmerzen, die meist akut auftreten, von alleine wieder. Beim Rest jedoch halten sie mehrere Monate an, so dass man dabei von chronischen Rückenschmerzen sprechen kann. Ein möglicher Auslöser für Schmerzen ist das Facettensyndrom.
Facettensyndrom (Wirbelgelenkarthrose)
Bei dem Facettensyndrom handelt es sich um eine Erkrankung der Gelenke zwischen den Wirbeln, rechts und links des Dornfortsatzes. Diese sogenannten Facettengelenke gehören zu den Verbindungen zwischen den Wirbeln. Ändert sich der Abstand zwischen den Wirbeln, z. B. durch Verschleiß, kann das Facettengelenk nicht mehr korrekt funktionieren. Die Folge ist eine Fehlbelastung, die zu einem Facettensyndrom führen kann.
Das Facettengelenksyndrom oder Facettensyndrom ist keineswegs eine neue Entdeckung: Schon vor mehr als 100 Jahren wurde es durch Ärzte beschrieben. Es steht für Schmerzen, die ihre Ursache in den kleinen Wirbelgelenken haben. Vermutlich handelt es sich bei dem Syndrom um eine der häufigsten Ursachen für Rückenschmerzen, neben Bandscheibenschäden.
Definition des Facettensyndroms
Das Facettensyndrom ist ein nicht klar abgegrenztes Krankheitsbild, gehört jedoch zu den degenerativen, also verschleißbedingten, Wirbelsäulenerkrankungen. Nicht selten tritt das Facettensyndrom mit anderen degenerativen Erkrankungen an der Wirbelsäule wie zum Beispiel Wirbelgleiten (Spondylolisthesis) oder einer Bandscheibenveränderung gemeinsam auf. Der Name besagt, dass die Symptomatik ihren Ursprung an den kleinen Zwischenwirbelgelenken – den Facetten oder auch Zygapophyseal-Gelenken hat. Diese Facettengelenke unterliegen degenerativen Prozessen, die meist altersbedingt sind. Sie sind ein wichtiges, aber dennoch häufig unbeachtetes Element der Wirbelsäule, das vermutlich für viele Rückenschmerzen verantwortlich ist. Es gibt Schätzungen, wonach etwa 15 % jüngere Menschen und bis zu 40 % ältere Patienten vom Facettensyndrom betroffen sind. Die Erkrankung tritt überwiegend im Bereich des unteren Rückens auf, weniger oft betroffen sind Hals- und Brustwirbelsäule.
Wie kommt es zum Facettensyndrom?
Die Facettengelenke tragen einen großen Anteil der statischen Belastung der Wirbelsäule, z. B. beim Stehen und Sitzen, werden aber auch besonders während der Bewegungsabläufe – also beim Beugen, Strecken und Drehen – stark in Anspruch genommen. Auch ständige Erschütterungen, wie beim Fahren eines LKWs schädigen die Wirbelsäule. Die Facettengelenke unterliegen daher denselben degenerativen Prozessen wie auch andere Gelenke des Körpers, sodass sich eine Arthrose entwickeln kann.
Nicht nur der natürliche Alterungsprozess der Wirbelsäule, sondern auch ein Unfall mit Schleudertrauma oder eine Über- und Fehlbelastung durch zum Beispiel Sport, schwere körperliche Arbeit oder durch häufiges Tragen von schweren Lasten können die ursprüngliche Ursache des Facettensyndroms sein. Deswegen sind Menschen, die ihren Körper bei manueller Arbeit Belastungen aussetzen, überdurchschnittlich häufig vom Facettensyndrom betroffen. Darüber hinaus kann sich eine Erkrankung der Facettengelenke und ein daraus resultierendes Facettensyndrom auch aus Übergewicht in Kombination mit Fehlhaltungen und einer generellen Bewegungsarmut oder durch eine familiäre genetische Disposition ergeben. Der untere Abschnitt der Wirbelsäule muss am meisten Gewicht tragen, sodass hier die Wirbelkörper aufeinandergedrückt werden und sich die Strukturen schneller abnutzen. Deshalb sind die am häufigsten durch ein Facettensyndrom betroffenen Facettengelenke im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule.
Was sind die Symptome eines Facettensyndroms?
Die Symptome eines Facettensyndroms sind schwer eindeutig definierbar, da sie sehr vielfältig und gleichzeitig wenig charakteristisch sind. Man kann daher auch nur schwer vom dem Grad der auftretenden Beschwerden auf die Intensität der Gelenkveränderung schließen. Die Lokalisierung des schmerzenden Gelenks wird zusätzlich dadurch erschwert, dass ein Gelenk von zwei Nerven versorgt wird.
Folgende Beschwerden treten im Zusammenhang mit einem Facettensyndrom (Wirbelgelenkarthrose) häufig auf:
- Ein Leitsymptom des Facettensyndroms sind dumpfe Rückenschmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule, die in ihrer Intensität meist stark schwanken und deren Ursache schwer lokalisiert werden kann. Es kann auch zu Ausstrahlungen in das Gesäß, in die Beine oder auch in die Leiste kommen. Die Beschwerden können also denen eines Bandscheibenvorfalls ähneln. Im Unterschied dazu lassen sich die Schmerzen aber keiner Nervenwurzel und ihrem definierten Versorgungsgebiet – dem sogenannten Dermatom – zuordnen. Man spricht daher auch oft von „pseudoradikulären“ Schmerzen.
- Bezeichnend für das Facettensyndrom ist, dass die Schmerzen bei Belastung und im Tagesverlauf zunehmen und sich auch beim Zurückbeugen des Oberkörpers sowie beim Anheben der Beine in Rückenlage verstärken; im Liegen tritt dann Besserung ein. Das führt zu einer bedeutenden Einschränkung der Beweglichkeit, was viele Tätigkeiten im Alltag erschwert.
- Es kommt oftmals zu Verspannungen in der Nacken- oder unteren Rückenmuskulatur oder – in eher seltenen Fällen- sogar zu Gefühlsstörungen (Mindergefühl = Hypästhesie) wie Taubheit oder Ameisenlaufen und Morgensteifigkeit.
Lokalisation des Facettensyndroms
Entsprechend des Auftretens von Schmerzen an der Wirbelsäule unterscheidet man drei verschiedenen Arten des Facettensyndroms:
1. das zervikale Facettensyndrom, welches im Bereich der Halswirbelsäule auftritt
2. das thorakale Facettensyndrom im Bereich der Brustwirbelsäule
3. das lumbale Facettensyndrom im Bereich der Lendenwirbelsäule
Das lumbale Facettensyndrom ist das Häufigste, was daran liegt, dass die Facettengelenke, die sich am unteren Teil der Wirbelsäule befinden, am meisten belastet werden. Oft geht der Schmerz nicht nur von einem sondern mehreren Gelenken aus. Es können eine oder beide Körperseiten betroffen sein.
Wie stellt der Arzt das Facettensyndrom fest?
Zur Diagnose des Facettensyndroms gehört zum einen eine konkrete Beschreibung der Schmerzen, d.h., wann und wo sie genau auftreten. Außerdem kann der Arzt durch Abtasten der Wirbelsäule eine erhöhte Druckempfindlichkeit an der betroffenen Stelle feststellen. Hier ist nämlich das Facettengelenk verändert, was dementsprechend zu Schmerzen und dem Facettensyndrom führt.
Weiterhin wichtig für die Diagnosestellung sind Ultraschall, Röntgen sowie die CT (Computertomographie) bzw. die MRT (die Magnetresonanztomographie). Die Injektion eines Schmerzmittels in das oder die Facettengelenke kann die Diagnose bestätigen. Ein MRT oder CT ermöglicht dem Arzt einen Querschnitt der betroffenen Körperregion einzusehen. Durch die Injektion von Kontrastmittel in die Gelenke ermöglicht die farbliche Kennzeichnung eine leichtere Entscheidung zu überprüfen, welches Gelenk genau für das Facettensyndrom verantwortlich ist.
Facettensyndrom Behandlung
In leichteren Fällen des Facettensyndroms reicht oft eine konservative Behandlung mit vorübergehender Gabe von entzündungshemmenden Schmerzmitteln und ein konsequent durchgeführtes, individuelles Kräftigungsprogramm aus, um den Patienten zu helfen. Gerade die Stärkung und der Aufbau der Muskulatur an Bauch und Rücken hilft bereits, die gesamte Wirbelsäule zu entlasten und zu stabilisieren.
Dazu gehören beispielsweise Physiotherapie sowie spezielle Übungen, die z. B. in der Rückenschule erlernt werden können. Im Vordergrund steht dabei der Aufbau der Bauch- und Rückenmuskeln. Dabei lernt der Patient nicht nur, besser mit seinem Schmerz umgehen zu können, sondern auch die Koordination und die Kraft der Muskeln positiv zu beeinflussen. Auch Sportarten wie Schwimmen oder Tanzen können lindernd sein.
Ebenfalls möglich und potentiell hilfreich beim Facettensyndrom ist das Anwenden von Akupunktur, Chirotherapie oder Infrarot-Therapie. Alle Therapien sollten in Absprache mit dem behandelnden Arzt oder Physiotherapeut erfolgen.
Auch eine physikalische Schmerztherapie wie die Ultraschallbehandlung und Therapien mit niederfrequentem Strom können die Schmerzen manchmal lindern.
Sollte die konservative Therapie jedoch keinen Erfolg mit sich bringen, können moderne minimal-invasive Verfahren zur Schmerzbehandlung angewendet werden wie z.B. die Facettendenervierung. Dabei werden die schmerzauslösenden Nervenfasern entweder mit schmerzstillenden Medikamenten direkt umspült oder komplett mit Radiofrequenz verödet. Diese Behandlung kann in einem ambulanten Eingriff vorgenommen werden und entweder unter Hitzeeinwirkung (man spricht dabei von Thermotherapie) oder durch Kälteeinwirkung (Kryotherapie) erfolgen.
Im Allgemeinen empfindet der Patient sofort nach dem Eingriff eine signifikante Schmerzlinderung. Da es sich bei der minimal-invasiven Facettendenervierung um einen schonenden Eingriff handelt, ist der Patient extrem schnell wieder auf den Beinen. Zudem kann die Therapie bei Bedarf wiederholt werden, z.B. wenn der Nerv sich nach einigen Jahren selbst regeneriert hat und wieder normal arbeitet.
Facettensyndrom: Wenn die offene Operation notwendig wird
In vielen Fällen führt diese sogenannte Facettendenervierung dazu, dass der Schmerz komplett verschwindet. Sollte dies jedoch nicht der Fall sein, bleibt immer noch die Möglichkeit, offen zu operieren. Der Arzt wird dabei die Wirbel, zwischen denen das betroffene Facettengelenk sitzt, versteifen. Für den Erfolg der Versteifungsoperation ist entscheidend, welche weiteren Schäden an diesem Abschnitt der Wirbelsäule, neben dem Facettensyndrom, vorliegen. Auch der Zustand der Rücken- und Bauchmuskulatur spielt eine Rolle.
Eine andere Methode ist die, dass durch eine OP die entsprechenden Nerven ganz entfernt werden. Sollten sich Ganglien oder Zysten im Rückenbereich befinden, welche Schmerzen verstärken oder das Facettensyndrom mit ausgelöst haben, können diese ebenfalls operativ entfernt werden. Im Allgemeinen reicht für die Behandlung jedoch die o.g. minimal-invasive und deutlich schonendere Facettendenervierung aus.
Vor einem operativen Eingriff zur Behandlung des Facettensyndroms kann der Arzt die so genannte Schmerzprovokation durchführen, bei der eine größere Menge Salzlösung in das Gelenk injiziert wird. Wird der Schmerz dabei ausgelöst oder deutlich verstärkt, sind die Aussichten auf eine Besserung durch eine OP gut.
Wie ist die Prognose?
Ganz unterschiedlich. Das hängt vor allem davon ab, wie genau die Wirbelsäulenveränderungen durch das Facettensyndrom aussehen. Durch eine konsequente, konservative Therapie kann oft schon eine deutliche Linderung des Schmerzes und eine zugleich erhöhte Lebensqualität erreicht werden – das sind die beiden Hauptziele jeder Therapie. Hauptaugenmerk liegt hierbei immer auf dem Aufbau spezieller Muskelpartien. Der Physiotherapeut kann hierbei Anleitung geben, wichtig ist aber, dass der Patient die Übungen auch zuhause regelmäßig ausführt. Nur so kann das Facettensyndrom auch durch konservative Behandlungsmethoden überkommen werden.
joimax® Patienteninfobroschüre Facetten- und ISG-Syndrom (PDF)
Minimal-invasive endoskopische Verfahren zur Behandlung des Facetten- und ISG-Syndrom